Wien (OTS) - Als PsychotherapeutInnen wissen wir um die verheerenden Folgen von Vertreibung, Krieg und Inhaftierung. Neue Befunde zeigen, wie sich derartige Traumatisierungen auf den Einzelnen auswirken. Am Beispiel Kosovo heute: Über 40% der ab 15-jährigen leiden an Depressionen, 22% der Bevölkerung leiden an posttraumatischen Belastungsstörungen, psychische Erkrankungen verursachen im Kosovo rund 30% der Arbeitsunfähigkeit, die Suizidrate ist im internationalen Vergleich sehr hoch.* Zerrüttete Familien, Sucht, Gewalt und die Verrohung der betroffenen Gesellschaften sind mögliche Folgen der schrecklichen Erfahrung von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst durch Flucht, Krieg und Inhaftierung.
Besonders die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist unter traumatisierenden Bedingungen in Gefahr.
Nun soll das Asylgesetz in Österreich neuerlich verschärft werden.
Dazu können und dürfen wir nicht schweigen! Menschen, denen keinerlei Rechtsbruch vorgeworfen wird, sollen nunmehr bis zu 18 Monate - früher lag die Höchstgrenze bei 10 Monaten - in Schubhaft gehalten werden. Das gälte nun auch verstärkt für 16- bis 18-jährige jugendliche Flüchtlinge, für die man davor bevorzugt Unterbringungsmöglichkeiten außerhalb der Inhaftierung gesucht hat!
Die Schubhaft für junge Kinder wird nun nicht mehr von der Behörde angeordnet. Stattdessen "dürfen" Eltern ihre Kinder mit in Schubhaft nehmen, nützen sie diese "freiwillige" Möglichkeit nicht, werden die Kinder von ihren Eltern getrennt und den Eltern wird die Obsorge für ihre Kinder entzogen!
Auch das Bleiberecht für AusländerInnen soll neuerdings zu noch größerer Unsicherheit führen. Während die Ausländerfeindlichkeit seit Jahren spürbar und in Angst erregendem Ausmaß zunimmt und bei jedem Wahlkampf weiter geschürt wird, sollen die neuen Gesetze die Zwei-Klassengesellschaft nochmals zementieren. Anstatt die neuen MitbürgerInnen wohlwollend zu akzeptieren und ihnen einen sicheren Rahmen für ihre neue Existenz und ein friedliches Miteinander zu bieten, soll mithilfe der neuen Gesetze die Spaltung der Gesellschaft festgeschrieben werden.
Ein derart roher und menschenverachtender Umgang mit unseren Mitmenschen bleibt nicht ohne Folgen auch für die Aufnahmegesellschaft. Sind wir nicht schon die Zeugen eines Wandels zur Tätergesellschaft? Humane und demokratische Gesinnungen werden immer mehr ausgehöhlt, die Verrohung unserer Gesellschaft, Ignoranz, Zynismus, zunehmende Fremdenfeindlichkeit und eine gefährliche Menschenverachtung sind die Folgen!
Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung sprechen wir PsychotherapeutInnen uns entschieden gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf aus! Wir wünschen uns eine humane und gleichberechtigte demokratische Gesellschaft und fordern deshalb eine menschliche Asylgesetzgebung, ebenso ein Bleiberecht, das demokratisch orientierte Rechtsstaatlichkeit sowie
respekt- und würdevollen Umgang mit allen MitbürgerInnen sicherstellt.
*Ulaj Jusuf, MD: Mental Health and Psychotherapy in Kosovo. In:
International Journal of Psychotherapy, Vol. 15, 1/2011.
Quelle: OTS0101: Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) 21.02.2011